Büchner Porträt 1 Büchner Porträt 2 Buechner Noten

Pfarrer Ludwig Clotz fand im Jahr 2013 in Gießen bei der Zusammenführung der Archive von Familie Clotz und Fa­mi­lie Hoffmann ein Porträt, gezeichnet von Philipp August Joseph Hoffmann (1807–1883). Ob es Georg Büchner darstellt, ist umstritten. Die Positionen:

Pro:

Das Porträt ist sehr ähnlich dem einzig bisher bekannten. A. Hoffmann hat beide Bilder gemalt.[1]

Kontra:

Das Notenblatt auf dem Bild ist eine Arie aus der Oper Zampa, die überhaupt nicht zu Büchners Vorlieben passt.[2]

Vermutung

Georg Büchner hat die Arie ins Deutsche übersetzt und die ganze Familie war stolz auf den Verkaufserfolg, die seine Version der Arie hatte. Er wurde deshalb von seinem Verwandten Philipp Hoffmann damit porträtiert.

Argumente

Das Bild bezieht sich nicht auf den Inhalt der Oper Zampa, sondern es stellt heraus, dass die Arie als gedruckte Noten vorliegt. Anders kann man sich den Aufwand nicht erklären, den der Maler trieb mit der Reproduktion eines kompletten Notenblattes, d.h. mit Melodie, Text und Klavierbe­gleitung. (Bei den mir be­kannten Komponistenporträts finden sich gar keine oder sehr wenige Noten.) Falls der Maler die Arie nur als Musikstück wichtig genommen hätte, wäre der obere Teil der ersten Zeile auf dem Blatt durch­aus ausreichend ge­wesen.

Oder noch weniger:

Incipit: Wenn ein Mächen mir gefällt

Der Übersetzer konnte allerdings im Jahr 1833 stolz auf die bestens ver­kaufte Ausgabe sein. Dass Büchner darüber kaum ein Wort verloren hat, erklärt sich leicht: Das Sujet ist eines ernsthaften Dichters nicht würdig – sozusagen eine Jugendsünde, wenn auch eine erfolgreiche.

Einzelheiten

Zeittafel

1831, 30. März

Georg Büchner schließt die Schulzeit am Darmstädter Pädagogium ab.[3]

1831, 3. Mai

Premiere von Hérolds „Zampa“ in Paris

1832

Ankündigung verschiedener deutscher Zampa-Ausgaben in: Caecilia Mainz, Eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Band 14, (bei B. Schott’s Söhnen Mainz):

1833

A. Hoffmann malt das Porträt mit Notenblatt

Die Oper Zampa war sofort ein Erfolg. Die deutschen Ausgaben wurden schnell hergestellt. In Caecilia, Band 14, 1832, gibt es 12 Zampa-Fundstellen in der Version bei Google-Books, z. B.

  • Die Partitur bearbeitet von C. Blum mit deutschem Text

  • Der Klavierauszug von C. Blum[4]

  • Die Einzelausgabe „Wenn ein Mädchen mir gefällt“:

Caecilia14 1832

Die Anmerkung „veränderter Text“ bezieht sich auf den Unterschied zu C. Blums Fassung, wobei es nicht um den Andante-Teil der Arie geht (Toi dont la grace/Reizendes Mädchen), sondern um den anschließenden Allegro-Teil, der wie folgt lautet.

Einzelausgabe Original Klavierauszug C. Blum

Wenn ein Mädchen mir gefällt,
Da hilft kein Widerstreben,
Die mein Herz sich hat erwählt,
Die muß sich mir ergeben.

Il faut céder à mes lois,
Et comment s’en défendre?
Quand mon cœur a fait un choix,
La belle doit se rendre.

Traf mein Herz einmal die Wahl
Wollt ich auf Beute gehen
Fielen Mädchen ohne Zahl -
vergeblich widerstehen!

Die Übersetzung im Klavierauszug ist holprig. In jeder Hinsicht besser ist die in der Einzelausgabe, die auf Büchners Porträt abgezeichnet ist.

Bleibt die Frage, wieso sich der Schott-Verlag an Georg Büchner wendet, wenn er eine bessere Fassung sucht. Eine möglicher Vermittler ist Christian Heinrich Rinck, ein erfolgreicher Komponist, der Lehrer am Pädagogium in Darmstadt war und der auch bei Schott veröffentlichte. Rinck kündigt im selben Band 14 von Caecilia auf p. 96 eine Subscription seines „Choralfreundes“ an. Er könnte den ehemaligen Schüler Georg Büchner gefragt haben, ob er Zeit für eine Übersetzung aus dem Französischen habe.

Noch eine Vermutung zum Zustandekommen des bisher bekannten Bildes:
Nach Georg Büchners frühem Tod bat seine Familie den Maler A. Hoffmann das Bild von 1833 nochmal abzuzeichnen und Georg dabei ordentlicher anzukleiden, damit man es als Erinnerung an die Wand hängen konnte.

Büchner, Hoffmann, Clotz

Ludwig Clotz [5] (*1938, Pfarrer in Athen und zuletzt an der Thomasgemeinde Gießen, Genealoge) fand zu seinem Bedauern heraus, dass sein Vorfahr Heinrich Ludwig Valentin Clotz [6] (1793-1873) derjenige war, der Georg Büchner die Abschrift seiner Geburtsurkunde nicht ausgestellt hatte, die der sich für seine Flucht nach Straßburg erbeten hatte.

Ludwig Clotz führte 2013 die Familienarchive Clotz und Hoffmann bei einer Nachfahrin des Theatermalers Hoffmann, auch in Gießen, zusammen. Als er unter einigen anderen Blättern Hoffmanns das genannte Porträt sah, fiel ihm die Ähnlichkeit mit dem bekannten Porträt von Georg Büchner auf. (Mitteilung von Pfarrer Clotz an mich) Das Bild ist mit Jahresangabe und der Unterschrift des Malers versehen, aber der Name des Porträtierten fehlt.

Die Familien Büchner, Hoffmann und Clotz sind miteinander verwandt. [7]


1. Statement von Burghard Dedner in Presseinformation Mathildenhöhe Darmstadt vom 27. 5. 2013
2. Artikel von Jan-Christoph Hauschild am in der FAZ vom 12. 7. 2013
3. Susanne Lehmann: Georg Büchners Schulzeit: Ausgewählte Schülerschriften und ihre Quellen. De Gruyter, p. 14
4. Blums Klavierauszug zum Herunterladen: IMSLP: Zampa (Hérold, Ferdinand)
5. siehe goethe-genealogie
6. siehe Archiv von Peter Schlagetter
7. Artikel in der Gießener Allgemeinen