Kammermusik

Sonntag, 13. 8. 2017, 18 Uhr, Kapelle der Vitos-Klinik Gießen

Querflöte und Gesang

mit

Sigrun Busch – Querflöte
Michael Brauer – Tenor
Johannes Becker – Klavier



Johann Sebastian Bach (1685–1750)

Erschüttre dich nur nicht, BWV 99

Erschüttre dich nur nicht, verzagte Seele,
Wenn dir der Kreuzeskelch so bitter schmeckt!
Gott ist dein weiser Arzt und Wundermann,
So dir kein tödlich Gift einschenken kann,
Obgleich die Süßigkeit verborgen steckt.

Flötensonate h-moll, BWV 1030

Camille Saint-Saëns (1835–1921)

Une flûte invisible

Hugo Wolf (1860–1903)

Gedichte von Eduard Mörike

Der Genesene an die Hoffnung

Tödlich graute mir der Morgen:
doch schon lag mein Haupt, wie süß!
Hoffnung, dir im Schoß verborgen,
bis der Sieg gewonnen hieß.

Opfer bracht ich allen Göttern,
doch vergessen warest du;
seitwärts von den ewgen Rettern
sahest du dem Feste zu.

O, vergib, du Vielgetreue!
Tritt aus deinem Dämmerlicht,
dass ich dir ins ewig neue,
mondenhelle Angesicht

einmal schaue, recht von Herzen,
wie ein Kind und sonder Harm;
ach, nur Einmal ohne Schmerzen
schließe mich in deinen Arm!

Fußreise

Am frischgeschnittnen Wanderstab,
wenn ich in der Frühe
so durch Wälder ziehe,
Hügel auf und ab:

Dann, wie’s Vöglein im Laube
singet und sich rührt,
Oder wie die goldne Traube
Wonnegeister spürt

in der ersten Morgensonne:
So fühlt auch mein alter, lieber
Adam Herbst- und Frühlingsfieber,
Gottbeherzte,
nie verscherzte
Erstlings-Paradieseswonne.
     
Also bist du nicht so schlimm, o alter
Adam, wie die strengen Lehrer sagen;
liebst und lobst du immer doch,
singst und preisest immer noch,
wie an ewig neuen Schöpfungstagen,
deinen lieben Schöpfer und Erhalter.

Möcht es dieser geben
und mein ganzes Leben
wär im leichten Wanderschweiße
eine solche Morgenreise!

Im Frühling

Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel:
die Wolke wird mein Flügel,
ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag mir, all-einzige Liebe,
wo du bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
sehnend,
sich dehnend
in Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wenn werd ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,
es dringt der Sonne goldner Kuss
mir tief bis ins Geblüt hinein;
die Augen, wunderbar berauschet,
tun, als schliefen sie ein,
nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Ich denke dies und denke das,
ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
was webst du für Erinnerung
in golden grünen Zweige Dämmerung?
— Alte unnennbare Tage!

Auf einer Wanderung

In ein freundliches Städtchen tret ich ein,
in den Straßen liegt roter Abendschein.
Aus einem offnen Fenster eben,
über den reichsten Blumenflor
hinweg, hört man Goldglockentöne schweben,
und eine Stimme scheint ein Nachtigallenchor,
dass die Blüten beben,
dass die Lüfte leben,
dass in höherem Rot die Rosen leuchten vor.

Lang hielt ich staunend, lustbeklommen.
Wie ich hinaus vors Tor gekommen,
ich weiß es wahrlich selber nicht.
Ach hier, wie liegt die Welt so licht!
Der Himmel wogt in purpurnem Gewühle,
rückwärts die Stadt in goldnem Rauch;
wie rauscht der Erlenbach, wie rauscht im Grund die Mühle,
ich bin wie trunken, irrgeführt — 
o Muse, du hast mein Herz berührt
mit einem Liebeshauch!

Auf ein altes Bild

In grüner Landschaft Sommerflor,
Bei kühlem Wasser, Schilf, und Rohr,
Schau, wie das Knäblein sündelos
Frei spielet auf der Jungfrau Schoß!
Und dort im Walde wonnesam,
Ach, grünet schon des Kreuzes Stamm!

Karwoche

O Woche, Zeugin heiliger Beschwerde!
Du stimmst so ernst zu dieser Frühlingswonne,
du breitest im verjüngten Strahl der Sonne
des Kreuzes Schatten auf die lichte Erde,

Und senkest schweigend deine Flöre nieder;
der Frühling darf indessen immer keimen,
das Veilchen duftet unter Blütenbäumen
und alle Vöglein singen Jubellieder.

O schweigt, ihr Vöglein auf den grünen Auen!
Es hallen rings die dumpfen Glockenklänge,
die Engel singen leise Grabgesänge;
o still, ihr Vöglein hoch im Himmelblauen!

Ihr Veilchen, kränzt heut keine Lockenhaare!
Euch pflückt mein frommes Kind zum dunklen Strauße,
ihr wandert mit zum Muttergotteshause,
da sollt ihr welken auf des Herrn Altare.

Ach dort, von Trauermelodien trunken,
und süß betäubt von schweren Weihrauchdüften,
sucht sie den Bräutigam in Todesgrüften,
und Lieb und Frühling, alles ist versunken!

Der Feuerreiter

Sehet ihr am Fensterlein
dort die rote Mütze wieder?
Nicht geheuer muss es sein,
denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewühle
bei der Brücke, nach dem Feld!
Horch! das Feuerglöcklein gellt:
hinterm Berg,
hinterm Berg
brennt es in der Mühle!

Schaut! da sprengt er wütend schier
durch das Tor, der Feuerreiter,
auf dem rippendürren Tier,
als auf einer Feuerleiter!
Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle
rennt er schon und ist am Ort!
Drüben schallt es fort und fort:
hinterm Berg,
hinterm Berg
brennt es in der Mühle!

Der so oft den roten Hahn
meilenweit von fern gerochen,
mit des heilgen Kreuzes Spahn
freventlich die Glut besprochen –
Weh! dir grinst vom Dachgestühle
dort der Feind im Höllenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
hinterm Berg
rast er in der Mühle!

Keine Stunde hielt es an,
bis die Mühle borst in Trümmer:
doch den kecken Reitersmann
sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewühle
Kehren heim von all dem Graus;
auch das Glöcklein klinget aus:
hinterm Berg,
hinterm Berg
brennt’s! –

Nach der Zeit ein Müller fand
ein Gerippe sammt der Mützen
aufrecht an der Kellerwand
auf der beinern’ Mähre sitzen:
Feuerreiter, wie so kühle
reitest du in deinem Grab!
Husch! da fällt’s in Asche ab.
Ruhe wohl,
ruhe wohl
drunten in der Mühle!

Storchenbotschaft

Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad,
steht hoch auf der Heiden, so frühe, wie spat.
Und wenn nur ein Mancher so’n Nachtquartier hätt!
ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett.

Und käm ihm zu Nacht auch was Seltsames vor,
er betet sein Sprüchel und legt sich aufs Ohr,
ein Geistlein, ein Hexlein, so luftige Wicht',
sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht.

Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt,
es knopert am Laden, es winselt der Hund,
nun ziehet mein Schäfer den Riegel — ei schau!
Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau.

Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment,
es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt!
Was will mir das Ziefer? Ist so was erhört?
Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft beschert.

Ihr seid wohl dahinten zu Hause am Rhein?
Ihr habt wohl mein Mädel gebissen ins Bein?
Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr,
sie wünschet den Herzallerliebsten sich her?

Und wünschet daneben die Taufe bestellt:
ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld? —
So sagt nur, ich käm in zwei Tag oder drei,
und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei!

Doch halt! Warum stellt ihr zu Zweien euch ein?
Es werden doch, hoff ich, nicht Zwillinge sein? —
Da klappern die Störche im lustigsten Ton,
sie nicken und knixen und fliegen davon.

Zur Warnung

Einmal nach einer lustigen Nacht
war ich am Morgen seltsam aufgewacht:
Durst, Wasserscheu, ungleich Geblüt;
dabei gerührt und weichlich im Gemüt,
beinah poetisch, ja, ich bat die Muse um ein Lied.

Sie, mit verstelltem Pathos, spottet’ mein,
gab mir den schnöden Bafel ein:
"Es schlagt eine Nachtigall
am Wasserfall;
und ein Vogel ebenfalls,
der schreibt sich Wendehals,
Johann Jakob Wendehals;
der tut tanzen
bei den Pflanzen
ob bemeldten Wasserfalls —"
So ging es fort; mir wurde immer bänger.
Jetzt sprang ich auf: zum Wein! Der war denn auch mein Retter.
— Merkt’s euch, ihr tränenreichen Sänger,
im Katzenjammer ruft man keine Götter!

Abschied

Unangeklopft ein Herr tritt abends bei mir ein:
„Ich habe die Ehr, Ihr Rezensent zu sein!“
Sofort nimmt er das Licht in die Hand,
besieht lang meinen Schatten an der Wand,
rückt nah und fern: „Nun, lieber junger Mann,
sehn Sie doch gefälligst mal ihre Nas so von der Seite an!
Sie geben zu, dass das ein Auswuchs is.“
— Das? Alle Wetter — gewiss!
Ei Hasen! Ich dachte nicht, all mein Lebtage nicht,
dass ich so eine Welts-Nase führt im Gesicht!

Der Mann sprach noch Verschiednes hin und her,
ich weiß, auf meine Ehre, nicht mehr;
meinte vielleicht, ich sollt ihm beichten.
Zuletzt stand er auf; ich tat ihm leuchten.
Wie wir nun an der Treppe sind,
da geb ich ihm, ganz froh gesinnt,
einen kleinen Tritt,
nur so von hinten aufs Gesäße mit —
Alle Hagel! Ward das ein Gerumpel,
ein Gepurzel, ein Gehumpel!
Dergleichen hab ich nie gesehn,
all mein Lebtage nicht gesehn
einen Menschen so rasch die Trepp hinab gehn!