Sonntag, 20. Mai 2018, Kapelle der Vitos-Klinik Gießen

Lieder zu Gedichten von Heinrich Heine

mit

Shawn Mlynek – Tenor
Johannes Becker – Klavier



Franz Schubert

aus dem Schwanengesang

Liebesbotschaft

Rauschendes Bächlein,
So silbern und hell,
Eilst zur Geliebten
So munter und schnell?
Ach trautes Bächlein
Mein Bote sei Du;
Bringe die Grüße
Des Fernen ihr zu.

All ihre Blumen
Im Garten gepflegt,
Die sie so lieblich
Am Busen trägt,
Und ihre Rosen
In purpurner Glut,
Bächlein, erquicke
Mit kühlender Flut.

Wenn sie am Ufer,
In Träume versenkt,
Meiner gedenkend
Das Köpfchen hängt;
Tröste die Süße
Mit freundlichem Blick,
Denn der Geliebte
Kehrt bald zurück.

Neigt sich die Sonne
Mit rötlichem Schein,
Wiege das Liebchen
In Schlummer ein.
Rausche sie murmelnd
In süße Ruh,
Flüstre ihr Träume
Der Liebe zu.

Frühlingssehnsucht

Säuselnde Lüfte
Wehend so mild,
Blumiger Düfte
Atmend erfüllt!
Wie haucht Ihr mich wonnig begrüßend an!
Wie habt Ihr dem pochenden Herzen getan?
Es möchte Euch folgen auf luftiger Bahn!
Wohin?

Bächlein, so munter
Rauschend zumal,
Wollen hinunter
Silbern ins Tal.
Die schwebende Welle, dort eilt sie dahin!
Tief spiegeln sich Fluren und Himmel darin.
Was ziehst Du mich, sehnend verlangender Sinn,
Hinab?

Grüßender Sonne
Spielendes Gold,
Hoffende Wonne
Bringest Du hold.
Wie labt mich Dein selig begrüßendes Bild!
Es lächelt am tiefblauen Himmel so mild,
Und hat mir das Auge mit Tränen gefüllt! -
Warum?

Grünend umkränzet
Wälder und Höh'!
Schimmernd erglänzet
Blütenschnee!
So dränget sich Alles zum bräutlichen Licht;
Es schwellen die Keime, die Knospe bricht;
Sie haben gefunden was ihnen gebricht:
Und Du?

Rastloses Sehnen!
Wünschendes Herz,
Immer nur Tränen,
Klage und Schmerz?
Auch ich bin mir schwellender Triebe bewusst!
Wer stillet mir endlich die drängende Lust?
Nur Du befreist den Lenz in der Brust,
Nur Du!

Ständchen

Leise flehen meine Lieder
Durch die Nacht zu Dir;
In den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm zu mir!

Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
In des Mondes Licht;
Des Verräters feindlich Lauschen
Fürchte, Holde, nicht.

Hörst die Nachtigallen schlagen?
Ach! sie flehen Dich,
Mit der Töne süßen Klagen
Flehen sie für mich.

Sie verstehn des Busens Sehnen,
Kennen Liebesschmerz,
Rühren mit den Silbertönen
Jedes weiche Herz.

Lass auch Dir die Brust bewegen,
Liebchen, höre mich!
Bebend harr ich Dir entgegen;
Komm, beglücke mich!

Aufenthalt

Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
Mein Aufenthalt.

Wie sich die Welle
An Welle reiht,
Fließen die Tränen
Mir ewig erneut.

Hoch in den Kronen
Wogend sich’s regt,
So unaufhörlich
Mein Herze schlägt.

Und wie des Felsen
Uraltes Erz,
Ewig derselbe
Bleibet mein Schmerz.

Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
Mein Aufenthalt.

Das Fischermädchen

Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.

Leg an mein Herz dein Köpfchen
Und fürchte dich nicht zu sehr;
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.

Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Sturm und Ebb' und Flut,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.

Der Atlas

Ich unglücksel’ger Atlas! Eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen,
Ich trage Unerträgliches, und brechen
Will mir das Herz im Leibe.

Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt!
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
Oder unendlich elend, stolzes Herz,
Und jetzo bist du elend.

Abschied

Ade, Du muntre, Du fröhliche Stadt, Ade!
Schon scharret mein Rösslein mit lustigem Fuß;
Jetzt nimm noch den letzten, den scheidenden Gruß.
Du hast mich wohl niemals noch traurig gesehn,
So kann es auch jetzt nicht beim Abschied geschehn.
Ade, Du muntre, Du fröhliche Stadt, Ade!

Ade, Ihr Bäume, Ihr Gärten so grün, Ade!
Nun reit ich am silbernen Strome entlang,
Weit schallend ertönet mein Abschiedsgesang;
Nie habt Ihr ein trauriges Lied gehört,
So wird Euch auch keines beim Scheiden beschert.
Ade, Ihr Bäume, Ihr Gärten so grün, Ade!

Ade, Ihr freundlichen Mägdlein dort, Ade!
Was schaut Ihr aus blumenumduftetem Haus
Mit schelmischen, lockenden Blicken heraus?
Wie sonst, so grüß ich und schaue mich um,
Doch nimmer wend ich mein Rösslein um.
Ade, Ihr freundlichen Mägdlein dort, Ade!

Ade, liebe Sonne, so gehst Du zur Ruh, Ade!
Nun schimmert der blinkenden Sterne Gold.
Wie bin ich Euch Sternlein am Himmel so hold;
Durchziehn wir die Welt auch weit und breit,
Ihr gebt überall uns das treue Geleit.
Ade, liebe Sonne, so gehst Du zur Ruh, Ade!

Ade, Du schimmerndes Fensterlein hell, Ade!
Du glänzest so traulich mit dämmerndem Schein,
Und ladest so freundlich ins Hüttchen uns ein.
Vorüber, ach, ritt ich so manches mal
Und wär es denn heute zum letzten mal?
Ade, Du schimmerndes Fensterlein hell, Ade!

Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! - Ade!
Des Fensterleins trübes verschimmerndes Licht
Ersetzt Ihr unzähligen Sterne mir nicht;
Darf ich hier nicht weilen, muss hier vorbei,
Was hilft es, folgt Ihr mir noch so treu!
Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! - Ade!

Robert Schumann

Liederkreis Op. 24

1

Morgens steh ich auf und frage:
Kommt feins Liebchen heut?
Abends sink ich hin und klage:
Aus blieb sie auch heut.

In der Nacht mit meinem Kummer
lieg ich schlaflos, lieg ich wach;
träumend, wie im halben Schlummer,
träumend wandle ich bei Tag.

2

Es treibt mich hin, es treibt mich her!
Noch wenige Stunden, dann soll ich sie schauen,
sie selber, die schönste der schönen Jungfrauen; –
du armes Herz, was pochst du so schwer!

Die Stunden sind aber ein faules Volk!
Schleppen sich behaglich träge,
schleichen gähnend ihre Wege; –
tummle dich, du faules Volk!

Tobende Eile mich treibend erfasst!
Aber wohl niemals liebten die Horen; –
heimlich im grausamen Bunde verschworen,
spotten sie tückisch der Liebenden Hast.

3

Ich wandelte unter den Bäumen
mit meinem Gram allein;
da kam das alte Träumen
und schlich mir ins Herz hinein.

Wer hat euch dies Wörtlein gelehret,
ihr Vöglein in luftiger Höh?
Schweigt still! wenn mein Herz es höret,
dann tut es noch einmal so weh.

"Es kam ein Jungfräulein gegangen,
die sang es immerfort,
da haben wir Vöglein gefangen
das hübsche, goldne Wort."

Das sollt ihr mir nicht erzählen,
Ihr Vöglein wunderschlau;
ihr wollt meinem Kummer mir stehlen,
ich aber niemandem trau.

4

Lieb Liebchen, leg’s Händchen aufs Herze mein; –
Ach, hörst du, wie’s pochet im Kämmerlein?
Da hauset ein Zimmermann schlimm und arg,
Der zimmert mir einen Totensarg.

Es hämmert und klopfet bei Tag und bei Nacht;
Es hat mich schon längst um den Schlaf gebracht.
Ach! sputet Euch, Meister Zimmermann,
Damit ich balde schlafen kann.

5

Schöne Wiege meiner Leiden,
schönes Grabmal meiner Ruh,
schöne Stadt, wir müssen scheiden, –
Lebe wohl! ruf ich dir zu.

Lebe wohl, du heilge Schwelle,
wo da wandelt Liebchen traut;
lebe wohl! du heilge Stelle,
wo ich sie zuerst geschaut.

Hätt ich dich doch nie gesehn,
schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär es dann geschehen,
dass ich jetzt so elend bin.

Nie wollt ich dein Herze rühren,
Liebe hab ich nie erfleht;
nur ein stilles Leben führen
wollt ich, wo dein Odem weht.

Doch du drängst mich selbst von hinnen,
bittre Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
und mein Herz ist krank und wund.

Und die Glieder matt und träge
schlepp ich fort am Wanderstab,
bis mein müdes Haupt ich lege
ferne in ein kühles Grab.

6

Warte, warte, wilder Schiffsmann,
gleich folg ich zum Hafen dir;
von zwei Jungfraun nehm ich Abschied,
von Europa und von ihr.

Blutquell, rinn aus meinen Augen,
Blutquell, brich aus meinem Leib,
dass ich mit dem heißen Blute
meine Schmerzen niederschreib.

Ei, mein Lieb, warum just heute
schaudert’s dich, mein Blut zu sehn?
Sahst mich bleich und herzeblutend
lange Jahre vor dir stehn! Oh!

Kennst du noch das alte Liedchen
von der Schlang im Paradies,
die durch schlimme Apfelgabe
unsern Ahn ins Elend stieß.

Alles Unheil brachten Äpfel!
Eva bracht damit den Tod,
Eris brachte Trojas Flammen,
du bracht’st beides, Flamm und Tod.

7

Berg’ und Burgen schaun herunter
in den spiegelhellen Rhein,
und mein Schiffchen segelt munter,
rings umglänzt von Sonnenschein.

Ruhig seh ich zu dem Spiele
goldner Wellen, kraus bewegt;
still erwachen die Gefühle,
die ich tief im Busen hegt.

Freundlich grüßend und verheißend
lockt hinab des Stromes Pracht;
doch ich kenn ihn, oben gleißend,
birgt sein Innres Tod und Nacht.

Oben Lust, im Busen Tücken,
Strom, du bist der Liebsten Bild!
Die kann auch so freundlich nicken,
lächelt auch so fromm und mild.

8

Anfangs wollt ich fast verzagen,
und ich glaubt, ich trüg es nie;
und ich hab es doch getragen –
aber fragt mich nur nicht, wie?

9

Mit Myrten und Rosen, lieblich und hold,
mit duftgen Zypressen und Flittergold,
möcht ich zieren dies Buch wie ’nen Totenschrein,
Und sargen meine Lieder hinein.

O könnt ich die Liebe sargen hinzu!
Am Grabe der Liebe wächst Blümlein der Ruh,
da blüht es hervor, da pflückt man es ab, –
doch mir blüht’s nur, wenn ich selber im Grab.

Hier sind nun die Lieder, die einst so wild,
wie ein Lavastrom, der dem Ätna entquillt,
Hervorgestürtzt aus dem tiefsten Gemüt,
und rings viel blitzende Funken versprüht!

Nun liegen sie stumm und totengleich,
nun starren sie kalt und nebelbleich,
doch aufs neu die alte Glut sie belebt,
wenn der Liebe Geist einst über sie schwebt.

Und es wird mir im Herzen viel Ahnung laut:
der Liebe Geist einst über sie taut;
einst kommt dies Buch in deine Hand,
du süßes Lieb im fernen Land.

Dann löst sich des Liedes Zauberbann,
die blassen Buchstaben schaun dich an,
sie schauen dir flehend ins schöne Aug,
und flüstern mit Wehmut und Liebeshauch.