Samstag, 10. August 2019, 19 Uhr, Kapelle der Vitos-Klinik Gießen Die schöne Magelone Romanzen von Johannes Brahms mit Birgit Küllmar – Rezitation |
Romanzen von Johannes Brahms (1833–1897) zur „Wundersamen Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter aus der Provence“ von Ludwig Tieck (1773–1853)
1
Keinen hat es noch gereut, Der das Ross bestiegen, Um in frischer Jugendzeit Durch die Welt zu fliegen. Berge und Auen, Einsamer Wald, Mädchen und Frauen Prächtig im Kleide, Golden Geschmeide, Alles erfreut ihn mit schöner Gestalt. Wunderlich fliehen Gestalten dahin, Schwärmerisch glühen Wünsche in jugendlich trunkenem Sinn. Ruhm streut ihm Rosen Schnell in die Bahn, Lieben und Kosen, Lorbeer und Rosen Führen ihn höher und höher hinan. Rund um ihn Freuden, Feinde beneiden, Erliegend, den Held – Dann wählt er bescheiden Das Fräulein, das ihm nur vor allen gefällt. Und Berge und Felder Und einsame Wälder Misst er zurück. Die Eltern in Tränen, Ach, alle ihr Sehnen – Sie alle vereinigt das lieblichste Glück. Sind Jahre verschwunden, Erzählt er dem Sohn In traulichen Stunden, Und zeigt seine Wunden, Der Tapferkeit Lohn. So bleibt das Alter selbst noch jung, Ein Lichtstrahl in der Dämmerung.
2
Traun! Bogen und Pfeil Sind gut für den Feind, Hülflos alleweil Der Elende weint; Dem Edlen blüht Heil, Wo Sonne nur scheint, Die Felsen sind steil, Doch Glück ist sein Freund.
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Sind es Schmerzen, sind es Freuden, Die durch meinen Busen ziehn? Alle alten Wünsche scheiden, Tausend neue Blumen blühn. Durch die Dämmerung der Tränen Seh ich ferne Sonnen stehn, - Welches Schmachten! welches Sehnen! Wag ich’s? soll ich näher gehn? Ach, und fällt die Träne nieder, Ist es dunkel um mich her; Dennoch kömmt kein Wunsch mir wieder, Zukunft ist von Hoffnung leer. So schlage denn, strebendes Herz, So fließet denn, Tränen, herab, Ach, Lust ist nur tieferer Schmerz, Leben ist dunkles Grab, - Ohne Verschulden Soll ich erdulden? Wie ist’s, dass mir im Traum Alle Gedanken Auf und nieder schwanken! Ich kenne mich noch kaum. O, hört mich, ihr gütigen Sterne, O höre mich, grünende Flur, Du, Liebe, den heiligen Schwur: Bleib ich ihr ferne, Sterb ich gerne. Ach, nur im Licht von ihrem Blick Wohnt Leben und Hoffnung und Glück!
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Liebe kam aus fernen Landen Und kein Wesen folgte ihr, Und die Göttin winkte mir, Schlang mich ein mit süßen Banden. Da begann ich Schmerz zu fühlen, Tränen dämmerten den Blick: Ach! was ist der Liebe Glück, Klagt’ ich, wozu dieses Spielen? Keinen hab ich weit gefunden, Sagte lieblich die Gestalt, Fühle du nun die Gewalt, Die die Herzen sonst gebunden. Alle meine Wünsche flogen In der Lüfte blauen Raum, Ruhm schien mir ein Morgentraum, Nur ein Klang der Meereswogen. Ach! wer löst nun meine Ketten? Denn gefesselt ist der Arm, Mich umfleucht der Sorgen Schwarm; Keiner, keiner will mich retten? Darf ich in den Spiegel schauen, Den die Hoffnung vor mir hält? Ach, wie trügend ist die Welt! Nein, ich kann ihr nicht vertrauen. O, und dennoch lass nicht wanken, Was dir nur noch Stärke gibt, Wenn die Einzge dich nicht liebt, Bleib nur bittrer Tod dem Kranken.
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So willst du des Armen Dich gnädig erbarmen? So ist es kein Traum? Wie rieseln die Quellen, Wie tönen die Wellen, Wie rauschet der Baum! Tief lag ich in bangen Gemäuern gefangen, Nun grüßt mich das Licht! Wie spielen die Strahlen! Sie blenden und malen Mein schüchtern Gesicht. Und soll ich es glauben? Wird keiner mir rauben Den köstlichen Wahn? Doch Träume entschweben, Nur lieben heißt leben; Willkommene Bahn! Wie frei und wie heiter! Nicht eile nun weiter, Den Pilgerstab fort! Du hast überwunden, Du hast ihn gefunden, Den seligsten Ort!
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Wie soll ich die Freude, Die Wonne denn tragen? Dass unter dem Schlagen Des Herzens die Seele nicht scheide? Und wenn nun die Stunden Der Liebe verschwunden, Wozu das Gelüste, In trauriger Wüste Noch weiter ein lustleeres Leben zu ziehn, Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen erblühn? Wie geht mit bleibehangnen Füßen Die Zeit bedächtig Schritt vor Schritt! Und wenn ich werde scheiden müssen, Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt! Schlage, sehnsüchtige Gewalt, In tiefer, treuer Brust! Wie Lautenton vorüberhallt, Entflieht des Lebens schönste Lust. Ach, wie bald Bin ich der Wonne mir kaum noch bewusst. Rausche, rausche weiter fort, Tiefer Strom der Zeit, Wandelst bald aus Morgen Heut, Gehst von Ort zu Ort; Hast du mich bisher getragen, Lustig bald, dann still, Will es nun auch weiter wagen, Wie es werden will. Darf mich doch nicht elend achten, Da die Einzge winkt, Liebe lässt mich nicht verschmachten, Bis dies Leben sinkt! Nein, der Strom wird immer breiter, Himmel bleibt mir immer heiter, Fröhlichen Ruderschlags fahr ich hinab, Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.
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War es dir, dem diese Lippen bebten, Dir der dargebotne süße Kuss? Gibt ein irdisch Leben so Genuss? Ha! wie Licht und Glanz vor meinen Augen schwebten, Alle Sinne nach den Lippen strebten! In den klaren Augen blickte Sehnsucht, die mir zärtlich winkte, Alles klang im Herzen wieder, Meine Blicke sanken nieder, Und die Lüfte tönten Liebeslieder! Wie ein Sternenpaar Glänzten die Augen, die Wangen Wiegten das goldene Haar, Blick und Lächeln schwangen Flügel, und die süßen Worte gar Weckten das tiefste Verlangen; O Kuss, wie war dein Mund so brennend rot! Da starb ich, fand ein Leben erst im schönsten Tod.
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Wir müssen uns trennen, Geliebtes Saitenspiel, Zeit ist es, zu rennen Nach dem fernen, erwünschten Ziel. Ich ziehe zum Streite, Zum Raube hinaus, Und hab ich die Beute, Dann flieg ich nach Haus. Im rötlichen Glanze Entflieh ich mit ihr, Es schützt uns die Lanze, Der Stahlharnisch hier. Kommt, liebe Waffenstücke, Zum Scherz oft angetan, Beschirmet jetzt mein Glücke Auf dieser neuen Bahn! Ich werfe mich rasch in die Wogen, Ich grüße den herrlichen Lauf, Schon mancher ward niedergezogen, Der tapfere Schwimmer bleibt obenauf. Ha! Lust zu vergeuden Das edele Blut! Zu schützen die Freude, Mein köstliches Gut! Nicht Hohn zu erleiden, Wem fehlt es an Mut? Senke die Zügel, Glückliche Nacht! Spanne die Flügel, Dass über ferne Hügel Uns schon der Morgen lacht!
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Ruhe, Süßliebchen, im Schatten Der grünen, dämmernden Nacht: Es säuselt das Gras auf den Matten, Es fächelt und kühlt dich der Schatten Und treue Liebe wacht. Schlafe, schlaf ein, Leiser rauscht der Hain, Ewig bin ich dein. Schweigt, ihr versteckten Gesänge, Und stört nicht die süßeste Ruh'! Es lauschet der Vögel Gedränge, Es ruhen die lauten Gesänge, Schließ, Liebchen, dein Auge zu. Schlafe, schlaf ein, Im dämmernden Schein, Ich will dein Wächter sein. Murmelt fort, ihr Melodien, Rausche nur, du stiller Bach. Schöne Liebesphantasien Sprechen in den Melodien, Zarte Träume schwimmen nach. Durch den flüsternden Hain Schwärmen goldne Bienelein Und summen zum Schlummer dich ein.
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Verzweiflung So tönet denn, schäumende Wellen, Und windet euch rund um mich her! Mag Unglück doch laut um mich bellen, Erbost sein das grausame Meer! Ich lache den stürmenden Wettern, Verachte den Zorngrimm der Flut; O, mögen mich Felsen zerschmettern! Denn nimmer wird es gut. Nicht klag' ich, und mag ich nun scheitern, Im wässrigen Tiefen vergehn! Mein Blick wird sich nie mehr erheitern, Den Stern meiner Liebe zu sehn. So wälzt euch bergab mit Gewittern, Und raset, ihr Stürme, mich an, Dass Felsen an Felsen zersplittern! Ich bin ein verlorener Mann.
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Wie schnell verschwindet So Licht als Glanz, Der Morgen findet Verwelkt den Kranz, Der gestern glühte In aller Pracht, Denn er verblühte In dunkler Nacht. Es schwimmt die Welle Des Lebens hin, Und färbt sich helle, Hat’s nicht Gewinn; Die Sonne neiget, Die Röte flieht, Der Schatten steiget Und Dunkel zieht. So schwimmt die Liebe Zu Wüsten ab, Ach, dass sie bliebe Bis an das Grab! Doch wir erwachen Zu tiefer Qual: Es bricht der Nachen, Es löscht der Strahl, Vom schönen Lande Weit weggebracht Zum öden Strande, Wo um uns Nacht.
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Muss es eine Trennung geben, Die das treue Herz zerbricht? Nein, dies nenne ich nicht leben, Sterben ist so bitter nicht. Hör ich eines Schäfers Flöte, Härme ich mich inniglich, Seh ich in die Abendröte, Denk ich brünstiglich an dich. Gibt es denn kein wahres Lieben? Muss denn Schmerz und Trennung sein? Wär ich ungeliebt geblieben, Hätt ich doch noch Hoffnungsschein. Aber so muss ich nun klagen: Wo ist Hoffnung, als das Grab? Fern muss ich mein Elend tragen, Heimlich bricht das Herz mir ab.
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Geliebter, wo zaudert Dein irrender Fuß? Die Nachtigall plaudert Von Sehnsucht und Kuss. Es flüstern die Bäume Im goldenen Schein, Es schlüpfen mir Träume Zum Fenster hinein. Ach! kennst du das Schmachten Der klopfenden Brust? Dies Sinnen und Trachten Voll Qual und voll Lust? Beflügle die Eile Und rette mich dir, Bei nächtlicher Weile Entfliehn wir von hier. Die Segel, sie schwellen, Die Furcht ist nur Tand: Dort, jenseit den Wellen Ist väterlich Land. Die Heimat entfliehet; — So fahre sie hin! Die Liebe, sie ziehet Gewaltig den Sinn. Horch! wollüstig klingen Die Wellen im Meer, Sie hüpfen und springen Mutwillig einher, Und sollten sie klagen? Sie rufen nach dir! Sie wissen, sie tragen Die Liebe von hier.
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Wie froh und frisch mein Sinn sich hebt, Zurück bleibt alles Bangen, Die Brust mit neuem Mute strebt, Erwacht ein neu Verlangen. Die Sterne spiegeln sich im Meer, Und golden glänzt die Flut. Ich rannte taumelnd hin und her, Und war nicht schlimm, nicht gut. Doch niedergezogen Sind Zweifel und wankender Sinn; O tragt mich, ihr schaukelnden Wogen, Zur längst ersehnten Heimat hin. In lieber, dämmernder Ferne, Dort rufen heimische Lieder, Aus jeglichem Sterne Blickt sie mit sanftem Auge nieder. Ebne dich, du treue Welle, Führe mich auf fernen Wegen Zu der vielgeliebten Schwelle, Endlich meinem Glück entgegen!
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Treue Liebe dauert lange, Überlebet manche Stund, Und kein Zweifel macht sie bange, Immer bleibt ihr Mut gesund. Dräuen gleich in dichten Scharen, Fordern gleich zum Wankelmut Sturm und Tod, setzt den Gefahren Lieb entgegen, treues Blut. Und wie Nebel stürzt zurücke, Was den Sinn gefangen hält Und dem heitern Frühlingsblicke Öffnet sich die weite Welt. Errungen, Bezwungen Von Lieb ist das Glück, Verschwunden Die Stunden, Sie fliehen zurück; Und selige Lust, Sie stillet, Erfüllet Die trunkene, wonneklopfende Brust; Sie scheide Von Leide Auf immer, Und nimmer Entschwinde die liebliche, selige, himmlische Lust!